Kunst

In die Zukunft weben

 

Photo: „Das große Krabbeln“, ND

Musik: Neujahrskonzert

 

Es war einmal eine kleine Spinnenfamilie. Eine in jeder Hinsicht sehr ungewöhnliche Familie: Papa Spinne konnte hellsehen (obwohl er sich zeitlebens dagegen gewehrt hatte), Mama Spinne hatte das absolute Gehör und das Spinnenkind war ein Meister der Empathie. Darüber hinaus unterschieden sie sich auch äußerlich von den anderen Spinnen: ihre kupferfarbenen Körper reflektierten die Umwelt wie venezianische Spiegel und alle drei hatten jeweils nur sieben Laufbeine, genau genommen „fehlte“ allen Dreien das rechte Hinterbein, was dazu führte, dass auch die von ihnen gewebten Spinnennetze eher einem ungewöhnlichen Experiment glichen denn einem ästhetischen Konstrukt der Natur. Und so kam es, wie es kommen musste. Ob Ponyhof, Almhütte oder Villa am Stadtrand - wo auch immer die kleine Spinnenfamilie auftauchte, wurde sie kollektiv von den anderen Tieren verspottet. Aber die kleine Spinnenfamilie machte sich nichts daraus – Mama Spinne pflegte leidenschaftlich und engelsgleich Harfe auf dem Netz zu spielen, manchmal sang sie auch dazu - wenn auch falsch - Kind Spinne beobachtete interessiert, und Papa Spinne analysierte mit Vorliebe seine allmorgendlichen Eingebungen, die im Übrigen äußerst positiv waren. Was auch der Grund dafür war, dass die kleine Spinnenfamilie prinzipiell zufrieden und, hinsichtlich der Zukunft, stets bester Dinge war. Eines frühen Morgens, es war der Neujahrstag, geschah etwas, dass das Leben der kleinen Spinnenfamilie von Grund auf umkrempeln sollte: Es regnete. So mancher Regentropfen verfing sich in der Netzkonstruktion, die die Familie - diesmal ungestört - am Rande des Waldes gewebt hatte. Es war ein ziemlich großes, aufwändiges Netz geworden und wenn man das Gesamtbild der Regentropfen, die sich darin verfangen hatten betrachtete, konnte man darin deutlich ein menschliches Antlitz erkennen. Aber es geht noch weiter: Eine junge Malerin aus einer fernen, pulsierenden Großstadt war mit ihrer Kamera auf der Suche nach Inspiration für eine neue Serie. Nicht dass sie perfektionistisch gewesen wäre, aber bei der Motivsuche ließ sie sich auf keine Kompromisse ein, denn die gab es im Leben schon zur Genüge. Sie war bereits seit zwei Stunden unterwegs und müde, als sie plötzlich das Spinnennetz entdeckte. Man könnte sagen, es war Sympathie auf den ersten Blick – etwa, weil sie sich selbst in dem Gesicht, das die Regentropfen darstellten, erkannt hatte?

 

Fortsetzung folgt im Januar 2017 :-)

 

Alles Gute von Wolke 7!